Optimale persönliche Geldanlagestrategien zielen auf den Nutzwert des Geldes ab. Dieser bemisst, welchen persönlichen Nutzen oder Mehrwert Geld kaufen kann. Um den Nutzwert zu maximieren wählen Verbraucher Waren und Dienstleistungen, die ihre Bedürfnisse im Rahmen ihrer finanziellen Mittel am besten befriedigen. Für rationale Verbraucher ist mehr Geld grundsätzlich besser. Aber der Nutzwert zusätzlicher finanzieller Mittel nimmt mit dem Vermögen ab. Einem Millionär ist beispielsweise mit 10€ zusätzlichen Einkünften weniger gedient als einem Bettler. Weil der Nutzwert des Geldes mit gleichmäßigem Konsum steigt lohnen sich für Privatleute Geldanlagen, die Vermögenswerte aus Lebensabschnitten mit hohem Einkommen in Lebensabschnitte mit niedrigem Einkommen transferieren.
Rentenversicherungen sind ein Beispiel für auf gleichmäßigen Konsum abzielende Geldanlagen, die sich bei mäßigen Renditen nur aufgrund von Erwägungen zum Nutzwert lohnen. Angenommen eine private Rentenversicherung bietet eine Rendite von 2%, die Beiträge werden bis zur Auszahlung durchschnittlich 30 Jahre angelegt und der Versicherungsnehmer kann die Beitragszahlungen bei einem Steuersatz von 30% absetzen. Auf 30 Jahre verteilt entspricht der Steuervorteil einer zusätzlichen Rendite von 1,2%, die näherungsweise zu den 2% der Rentenversicherung addiert werden kann. Die Gesamtrendite von 3,2% bleibt unter der risikolosen Rendite von 3,61% für einen Anlagezeitraum von 30 Jahren entsprechend Tabelle 2. Gemessen an der Zinsertragskurve der Eurozone ist die Rentenversicherung also trotz aller Steuervorteile ein Verlustgeschäft. Auch im Vergleich zu Aktien mit einer langfristigen Rendite von 6% erscheint die hypothetische private Rentenversicherung nicht als eine gute Investition, selbst wenn man die Steuerersparnis bei den Rentenbeiträgen und die bei Aktien fällige Abgeltungssteuer einrechnet.
Diese Analyse lässt allerdings die mit Aktien verbunden Risiken und die Auswirkungen des Nutzwerts außer Acht. Mit Aktien kann man deutlich höhere Renditen als die erwarteten 6% erzielen. Es können sich aber auch Verluste ergeben. Weil der Nutzwert des Geldes mit dem Vermögen abnimmt, wirken sich Verluste stärker auf die Lebensqualität im Alter aus als mögliche höhere Gewinne. Wer also seine Grundversorgung im Alter noch nicht sicher gestellt hat, mag trotz geringer Renditen mit einer privaten Rentenversicherung am besten bedient sein.
Rechenbeispiele
Zur Berechnung der Rendite aus dem Steuervorteil formuliert man Gleichung (1) bei jährlicher Wiederanlage (m = 1) um:
(6) |
Bei einem Steuersatz von 30% gehen die Beitragszahlungen nur zu 70% vom Nettoeinkommen ab. In Gleichung (6) ist der Gegenwartswert GW also 0,7 und der Zukunftswert ZW ist 1,0. Anders gesagt summieren sich 70 Cent Beitragszahlung und 30 Cent Steuerersparnis zu 100 Cent, auf die aber erst nach 30 Jahren zugegriffen werden kann.
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Rendite aus Steuerersparnis = (1 / 0,7)∧(1 / 30) – 1 = 1,196%
Zu Bedeutung des Nutzwerts stelle man sich nun eine Erwerbstätige vor, die mit einem so geringen Einkommen im Rentenalter rechnet, dass sich für sie der Nutzwert zusätzlicher Kaufkraft im Alter verdoppelt. Dann ist in Geleichung (6) das Verhältnis von Zukunftswert zu Gegenwartswert ZW∕GW = 2, was über 30 Jahre verteilt einer Rendite von 2,3% entspricht.
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Rendite aus Nutzwert = 2∧(1 / 30) – 1 = 2,337%
Näherungsweise summiert sich nun die „persönliche“ Gesamtrendite aus Rentenversicherung, Steuerersparnis und Nutzwert zu 2% + 1,2% + 2,3% = 5,5%. Die hypothetische Rentenversicherung ist also eine lohnende Investition, wenn sie steuerlich absetzbar ist und hilft, Altersarmut zu vermeiden.
Literatur